Safe, sane, consensual (SSC) und Risk-aware consensual Kink (RACK) – zwei Abkürzungen, die nicht nur fancy klingen, sondern für Grundprinzipien im BDSM stehen. Beide Konzepte haben dasselbe Ziel: sicherzustellen, dass bei potenziell riskanten Praktiken niemand zu Schaden kommt – weder körperlich noch emotional – und dass alles, was passiert, freiwillig und im gegenseitigen Einvernehmen geschieht. Die Art und Weise, wie dieses Ziel erreicht werden soll, unterscheidet sich jedoch grundlegend.
SSC ist das ältere, klassischere Modell und wird bis heute von vielen BDSMler:innen als moralischer Kompass genutzt. Es betont Praktiken, die als sicher, vernünftig und einvernehmlich gelten – eine Art Grundrezept für risikoarmes BDSM.
RACK hingegen setzt auf Individualität und bewusste Eigenverantwortung. Der Fokus liegt weniger auf universellen Standards wie „sicher“ oder „vernünftig“ (die ja eh je nach Person ganz unterschiedlich empfunden werden), sondern auf der persönlichen Risikobereitschaft der Beteiligten. Hier heißt es: Solange alle Beteiligten umfassend informiert sind und freiwillig zustimmen, darf es auch mal risikoreicher zur Sache gehen.
RACK ist damit nicht per se weniger moralisch. Es verschiebt nur den Maßstab von einem eher allgemein gültigen Regelwerk hin zu einem situationsabhängigen Konsensprinzip, das besonders in experimentierfreudigen oder sehr individuellen Spielarten des BDSM bevorzugt wird.
SSC und RACK am Beispiel Choking erklärt
Ein besonders anschauliches Beispiel für die Unterschiede zwischen SSC und RACK ist das Spiel mit Choking – also Atemkontrolle durch Würgen oder Luftentzug. Für Außenstehende wirkt das oft extrem und gefährlich – und das kann es tatsächlich auch sein, wenn es unüberlegt oder ohne entsprechendes Wissen praktiziert wird.
Nach dem SSC-Prinzip wäre Choking in vielen Fällen problematisch. Die Sicherheit ist schwer zu gewährleisten, da es bei Würgespielen schnell zu ernsthaften Verletzungen, Bewusstlosigkeit oder sogar lebensbedrohlichen Situationen kommen kann – selbst wenn alles „richtig“ gemacht wird.
Auch unter dem Aspekt Vernunft (sane) lässt sich argumentieren, dass der potenzielle Schaden nicht im Verhältnis zum Lustgewinn steht. SSC würde also eher dazu raten, Atemkontrollspiele komplett zu vermeiden oder auf sehr kontrollierte, risikoarme Varianten (z. B. symbolisches Choking ohne tatsächlichen Druck) auszuweichen.
RACK (Risk-aware consensual Kink) hingegen erlaubt Atemkontrolle – unter strengen Bedingungen. Das bedeutet, alle Beteiligten sind sich der realen Risiken bewusst, wurden ausführlich über medizinische Gefahren und Notfallsituationen informiert und stimmen dem Spiel vollständig und eigenverantwortlich zu.
RACK setzt hier auf informierte Einvernehmlichkeit statt auf allgemeine Maßstäbe wie „sicher“ oder „vernünftig“. Die Verantwortung liegt in hohem Maß bei den Beteiligten selbst – insbesondere bei der aktiven Person, die körperliche und psychische Signale genau beobachten muss.
Kurz gesagt:
Damit wird deutlich: Beide Modelle wollen BDSM verantwortungsvoll gestalten – sie setzen dabei aber unterschiedliche Maßstäbe. SSC funktioniert gut bei allgemeineren Praktiken, RACK öffnet mehr Spielräume für fortgeschrittene Szenarien – vorausgesetzt, alle wissen, worauf sie sich einlassen.
Weitere BDSM-Philosophien im Überblick
Neben SSC und RACK gibt es noch andere Denkmodelle, die sich mit Verantwortung, Einvernehmlichkeit und der Balance von Macht und Lust im BDSM beschäftigen.
Ein Konzept, das stark auf individuelle Verantwortung setzt. Wer nach PRICK spielt, informiert sich gründlich über Risiken und Konsequenzen und übernimmt Verantwortung für sich und das Gegenüber. PRICK ist also quasi RACK mit einem Extra-Schuss Gewissen und Wissen.
CCC legt den Fokus auf emotionale Nähe und tiefes Vertrauen. Grenzen werden oft gemeinsam exploriert und nicht immer im Vorfeld klar abgesteckt. Safewords sind eher optional. Besonders verbreitet ist dieses Modell bei TPE-Dynamiken (Total Power Exchange), bei denen der Bottom seinem Top die volle Kontrolle überlässt. CCC kann daher als Gegenentwurf zu SSC gesehen werden – hier steht Hingabe über Kontrolle.